Veranstaltungsbericht
Spiel mir das Lied vom Tod – UKW auf dem Sterbebett der Politik?“
Mit diesem plakativen Titel hat die VBRA mit Blick auf deutliche Bestrebungen, UKW als Verbreitungsweg für Radio durch den digitalen Übertragungsstandard DAB zu ersetzen, bei den Medientagen München auf die dramatischen Konsequenzen einer vorzeitigen UKW-Abschaltung hingewiesen.
Den Auftakt machte Dr. Christoph Mayer von der Unternehmensberatung Schickler, die in einer exklusiven Studie für die VBRA die wirtschaftlichen Effekte einer UKW-Abschaltung auf private Radiosender in Deutschland untersucht hat.
In seinem Impulsreferat wies Mayer darauf in, dass die Reichweite von DAB in Deutschland im Durchschnitt aktuell nur 18% beträgt. Deutschland ist somit auf einem Niveau, auf dem Länder wie Norwegen oder Großbritannien vor zehn Jahren waren. Deren Entwicklung ist deutlich fortgeschrittener (Norwegen >84%, Großbritannien 60%) und kann daher als ein mögliches Vergleichsmodell für die Prognose des Wachstums in Deutschland herangezogen werden. Neben diesem Ländermodell entwickelte Schickler zwei weitere Prognosemodelle für die DAB -Reichweite in den kommenden Jahren: Ein Durchdringungsmodell zur mathematischen Modellierung der Durchdringung neuer Technologien in der Bevölkerung und ein Erneuerungsmodell zur Simulation des Erneuerungszyklus von alten UKW-Radiogeräten hin zu DAB -Radiogeräten.
Die Prognosemodelle von Schickler zeigen klar auf, dass eine DAB -Reichweite von 90% in Deutschland realistischerweise zwischen 2033 und 2036 erreicht wird. Unter der aktuellen Entwicklung neuer Technologien wie Smartspeaker und 5G Broadcast-Mode ist jedoch fraglich, ob sich das Wachstum der DAB -Reichweiten in dieser Form überhaupt entwickelt.
Der wirtschaftliche Effekt einer UKW-Abschaltung auf private Radiosender in Deutschland wäre laut Mayer verheerend. Bei einer Abschaltung von UKW Stand heute wären private Radiosender nicht überlebensfähig. Nach dem Rechenmodell von Schickler mit anonymisierten realen Daten deutscher Radiosender würde eine Abschaltung aktuell einen Verlust von 60-70% der wirtschaftlichen Umsatzbasis bedeuten – Einsparungen auf Grund günstigerer DAB -Übertragung bereits eingerechnet. Auch bei Abschaltung von DAB in 2025 wären private Radiosender nicht überlebensfähig; der Umsatzverlust beträgt über 25%.
Im Kern kommt Schickler in seiner Studie zum Ergebnis, dass die Abschaltung von UKW erst deutlich nach 2030 wirtschaftlich vertretbar ist.
Im Anschluss an Mayers Präsentation wurde auf dem VBRA-Panel lebhaft diskutiert.
Siegfried Schneider, Präsident der BLM, stellte gleich zu Beginn klar, dass eine kurzfristige Abschaltung von UKW auch aus seiner Sicht nicht vertretbar sei. Zwar engagiere man sich gerade in Bayern sehr, den Umstieg ins Digitale rasch zu bewältigen, allerdings wisse man dort auch, dass UKW als Geschäftsmodell für die Radioanbieter bis auf Weiteres unverzichtbar sei. Ob und wann der Umstieg auf DAB+ komme, entscheide letztlich der Markt. Die BLM schaffe aber ihrerseits die Voraussetzungen für diesen Umstieg und komme dabei auch gut voran. Schon im kommenden Jahr werde sie alle privaten Sender in Bayern in DAB+ anbieten können.
Michael Tenbusch, Managing Director bei Burda Broadcast Media und Vorstandsmitglied der VBRA, formulierte es drastischer: „Ohne UKW ist die Radioindustrie in Deutschland tot“. Nur über UKW sei es den privaten Anbietern bis auf Weiteres möglich, sich am Markt zu refinanzieren. Radio habe aber schon jetzt drei relevanten Übertragungswege: UKW, DAB+ und IP. Gerade das IP-Radio werde in Zukunft eine dominante Rolle einnehmen. Der Siegeszug der Smart Speaker, hinter denen kapitalstarke Konzerne wie Google und Amazon stünden, werde diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch forcieren. Angesichts dieser Entwicklung sei es falsch, auf DAB+ zu setzen.
Willi Schreiner, Die Neue Welle, verweist demgegenüber darauf, dass die Zahl der Webradios von 2011 bis heute geringer geworden sei. Umgekehrt entwickele sich DAB+ sehr erfolgreich. Die Endgeräteabdeckung und die tatsächliche Nutzung stiegen kontinuierlich, auch im Auto. DAB+ könne die Menschen auch künftig an das Radio binden und so ein Abwandern in die Welt der Streamingdienste verhindern helfen.
Diskutiert wurde auch das Thema Meinungsvielfalt. Die wachsende Konkurrenz auf dem Radiomarkt und der Zwang, sich der Digitalisierung anzupassen, diene der Vielfalt, so Schneider. Auch Schreiner sieht hierin eine Chance gerade für lokale Radioanbieter. Tenbusch teilt die Auffassung, dass die BLM gehalten ist, Vielfalt zu organisieren. Vielfalt mache aber nur Sinn, wenn sie genutzt werde, also auch tatsächlich Hörer habe. Das zentrale Element sei daher die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Sie sei künftig nur noch möglich, wenn größere Einheiten und Kooperationen gebildet werden, da man nur so gegen die großen Plattformen bestehen könne. Dem schloss sich Schneider an: Eine inhaltliche Zusammenarbeit der Sender oder Senderfamilien sei in der digitalen Radiowelt unabdingbar.
Petra Schwegler, Nachrichtenchefin von W&V, moderierte die Veranstaltung gewohnt souverän. “Wir wünschen allen viele Netze”, rief sie den Diskutanten und den zahlreichen Besuchern zum Ende einer intensiven, einstündigen Diskussion zu.
(Bericht und Fotos: Dr. Markus Rick)